Anstoss Coaching Zone Forum

Hier ist meine:

Zu meiner Jugendclique gehörte Anfang der Neunziger ein Typ (nennen wir ihn Emil Elch, sein echter Name klingt ähnlich lustig), der mächtig damit kokettierte, angeblich dritter Torwart beim FC zu sein. Profis wohlgemerkt! Der Junge war ein ganz Lieber, nur im Oberstübchen ein bisschen sehr simpel gestrickt und nahm daher ernsthaft an wir würden ihm das alle glauben.

Tatsächlich konnte er ganz gut Bälle fangen und hatte auch beeindruckend wenig Angst vor wirklich enorm hart geschossenen Bällen. Trotzdem war natürlich sonnenklar, dass seine "Karriere" eine reine Räuberpistole war. Heute bin ich davon überzeugt, dass er in einer Scheinwelt lebte und sich seine Geschichten sogar selbst geglaubt hat.

Als er damit ankam, ließen wir ihn spaßeshalber in dem Glauben, dass wir seine Geschichte "gefressen" hätten. Nicht ahnend, dass sich das über Jahre fortsetzen würde, in denen er immer mal wieder beiläufig erwähnte, er käme gerade vom "Mittagessen mit Olaf Janßen" oder wie lustig es gestern "nach dem Training mit Bodo" und den anderen noch war.

Irgendwie brachten wir es einerseits nicht übers Herz und andererseits war uns diese Macke auch zu unterhaltsam, um ihm mal einzuschenken, dass z.B. ein Blick ins Kicker-Sonderheft genüge, um zu beweisen, was er garantiert NICHT war ...

Außerdem log er zum Teil dermaßen "überzeugend", dass ihm sicher auch dafür eine annähernd plausible Erklärung eingefallen wäre. Ja, ich glaube das wäre kein Problem für jemanden gewesen, der täglich(!) in kompletter FC-Montur herumlief (machen FC-Profis bestimmt die ganze Zeit Wink ) und sich lange vor den heutigen Möglichkeiten wie Photoshop etc. mit Hilfe eines Fotografen, sowie von Schere und Papier Autogrammkarten bastelte, die zwar schon von weitem nach Fake aussahen, aber für seine Verhältnisse doch irgendwie schon sehr überzeugend waren. Gut, er war komplett in Uhlsport gekleidet und hockte auf dem Bild hinter einer fetten Reusch-Tasche, aber ein Schelm wer ihm daraus einen Strick gedreht hätte.

Mir hat er mal ein Original-Trikot mit der Nummer 13 zum Geburtstag geschenkt, das er todsicher voll bezahlt hat. Er meinte, er wäre gerade noch bei Bruno Labbadia gewesen, um es dort abzuholen. Ich hätte das gerne abgelehnt, weil das echt zu weit ging, aber wie denn, ohne ...?

Emils FC-Identität anzuzweifeln war ein unausgesprochenes Tabu.

Einige Vorfälle ließen uns allerdings dann doch die Kinnlade runterklappen. Das erste Mal war, als seine Mutter (er wohnte unweit unseres Treffpunktes) rauskam und ihn reinrief, weil Ralf Sturm für ihn am Telefon sei. Surprised Dass seine Mutter ihn in dieser Rolle unterstützte, war nun definitiv die Härte. Oder sollte Sturms Ralf wirklich ...? Nee, komm!

Als wir Emil aber dann bei einem Heimspiel als Balljungen (dritte Torhüter werden ja für sowas öfter abgestellt Wink ) auf der Tartanbahn vor der Südkurve sahen, wie er im roten Puma-Mäntelchen - ungehört natürlich - gestenreich die Mannschaft dirigierte, musste man langsam befürchten, dass er die Rolle seines Lebens nicht nur bei uns lebte, sondern auch im echten FC-Umfeld.

Wir stellten uns vor, wie er am Geißbockheim abhing und versuchte, Kontakte zu FC-Spielern zu knüpfen. Als ich dann mal mit meinem kleinen Bruder beim Training war, um für ihn einige Autogramme zu sammeln, stand ich gerade vor Bodo Illgner himself und hörte mich in einem Anfall von geistiger Umnachtung die Frage stellen: "Stimmt es eigentlich, dass der Emil Elch bei Euch dritter Torwart ist?"

Sofort danach wünschte ich mir ein sehr tiefes Loch exakt vor Herrn Illgners Füßen, das mich doch bitte verschlucken möge, als der (erste!) Torwart des amtierenden Fußballweltmeisters mich doch tatsächlich fragt: "Kennst Du Emil näher?" Ich: "Äh, ... ja!" Bodo: "Dann lass ihm doch seine Nummer. Ist doch ne arme Wurst."

Surprised

Und da tat mir Emil plötzlich irgendwie leid. Sad

Es war ein Samstag wie jeder andere, sprich "vorglühen", danach ins Nachtflug (als der Laden noch recht neu war).

Am Tresen Mattes Scherz und Lotte getroffen. Ein Kölsch getrunken, gemeinsam ins "Relax", die legendäre Pizzabude nebenan, deren Tabascoflaschen mir schon den ein oder anderen "Afterburner" verpasst hatte.

Ich stehe an der Kasse, um meine Bestellung aufzugeben, und sage zu M. Scherz: "Jungs, wat wollt Ihr?"
Antwort unserer Nr. 8: "Zwei Margherita bitte"
Darauf Lotte aus ca. 5 Meter Entfernung mit Fluppe im Maul und Flasche Reissdorf in der Hand: "Jung, für mich och zwei" Very Happy