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Seltsames Österreich

VON FRANK HELLMANN, 04.06.08, 21:06h
Die deutschen Gruppengegner kommen vor der EM nicht richtig in Schwung und haben ihre Probleme. Trainer Josef Hickersberger stellt sein Team an den Pranger und will keinen Torhüter benennen.

Spieler Aufhauser (r.) und Trainer Hickersberger. (Bild: Reuters)
Stegersbach - Stell dir vor, es ist Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land, und du schläfst ein. Etwa vor einer Mannschaftsbesprechung oder Videositzung. Undenkbar? Bei den Österreichern, die sich in einem idyllischen Golf- und Thermenresort im Südburgenland einquartiert haben, ist das passiert. Und Josef Hickersberger hatte nichts Besseres zu tun, als darüber gestern auf der offiziellen Pressekonferenz zu referieren - mit seiner berüchtigten Mischung aus Ernst und Spaß, Sarkasmus und Zynismus.

„Wir haben viele Termine, da kann es schon einmal sein, dass der eine oder andere von einem Spieler vergessen wird oder dass der Spieler einschläft und nicht rechtzeitig wieder munter wird“, sagte der 60-Jährige und lästerte darüber, dass einige Spieler beim Training „nicht mehr so bei der Sache“ gewesen seien wie in den Tagen zuvor, dazu „ist ein Feldspieler zu spät zu einer Besprechung gekommen“. Den Namen nannte der aufgebrachte Trainer nicht, wohl aber machte er seinem Ärger Luft: „Es war für mich an der Zeit, die Mannschaft wachzurütteln. Wehret den Anfängen, heißt es im Sprichwort.“ Es soll Geldstrafen gegeben haben, über deren Höhe Hickersberger verriet: „Für meinen Geschmack ist sie sehr hoch, aber ich verdiene nicht so viel wie die Spieler.“

Größer kann die Distanz nicht sein, die ein Teamchef zu seinen auserwählten Kaderkräften aufbaut. Einerseits. Andererseits ist genau Hickersberger auch ein geübter Tarner und Täuscher, so dass die überraschende Verbalattacke auf die von ihm gelobte Einstellung auch als durchdachtes Ablenkungsmanöver gelten darf. Denn im Grunde wartete ja alles auf die von Hickersberger selbst für Mittwoch angekündigte Entscheidung, wer denn nun das österreichische Tor hütet. Jürgen Macho oder Alexander Manniger? Mit dem Vorwand der Disziplinlosigkeit hat der Amstettener das vertagt, „weil die Torhüter unser geringstes Problem sind“. Und der feine Nachsatz: „Ich bin nicht der Sklave meiner Fristen.“

Er weiß aber sehr wohl, dass er damit seinen Ruf als Zauderer und Zögerer festigt. Neben Hickersberger hockte Andreas Ivanschitz, der Kapitän, auf dem hell erleuchteten Podium des umfunktionierten Thermenpools im Hotel Larimar und machte gute Miene zum bösen Spiel. „Die Stimmung kann gut sein, und trotzdem kann es vorkommen, dass man den einen oder anderen Termin vergisst.“ Natürlich wollte der 24-jährige seinem Chef nicht in den Rücken fallen, als er Verständnis für die ungelöste T-Frage aufbrachte, die Hickersberger nun erst am Samstag, einen Tag vor dem Spiel gegen Kroatien, beantworten will. Ivanschitz: „Das wird von allen akzeptiert.“ Fakt ist, dass Wohl und Wehe „des krassesten Außenseiters aller Zeiten“ (Hickersberger) kaum an den Torleuten hängt. Macho, 30, bei AEK Athen nicht unumstritten, und Manninger, seit gestern 31, bei AC Siena die Nummer eins, gelten zumindest in der Nationalelf als gleich gut. Oder gleich schlecht.

Fest steht auch, dass beide nicht die Aura eines Friedl Koncilia, Franz Wohlfahrt oder Michael Konsel besitzen, um die Torhütertradition der Alpenrepublik fortzuschreiben. Klaus Lindenberger, der aktuelle Torwarttrainer, war dem Vernehmen nach strikt dagegen, die Entscheidung weiter hinauszuschieben. Auch weil der 51-Jährige mit der Figur eines 35-Jährigen sagt: „Wir haben keine unumstrittenen Torleute mehr.“ Die Diskussion mit dem störrischen Teamchef soll sich bis in die Nacht hingezogen haben, Lindenberger hernach mächtig verärgert gewesen sein. Nun darf weiter debattiert werden, auch im Mannschaftskreis.

Hilft ja schließlich gegen vorzeitiges Einschlafen.