"Wir können ihn nicht in Handschellen abführen"
Rafinha hat seine Ankündigung wahr gemacht und ist nicht in das Trainingslager von Schalke gereist, Diego möchte mit Werder Bremen sprechen. Der Streit um die Olympia-Freigabe eskaliert.
Von Jürgen Schmieder

Rafinha will zu den Olympischen Spielen
Seine Kollegen tanzten schon über das Parkett, da begriff es auch Dirk Nowitzki: Er wird zu den Olympischen Spielen nach Peking fahren. Nach zwei missglückten Qualifikationsturnieren haben es die deutschen Basketballer endlich geschafft. Nowitzki lächelte kurz, dann drückte er sein Gesicht in ein Handtuch, um allein zu sein mit seinen Freudentränen. "Ich freue mich auf den Einmarsch ins Olympiastadion", sagte Nowitzki später, "und danach schauen wir, was das olympische Turnier uns so bringt.“
Darum geht es bei den Olympischen Spielen: Dabeisein, im olympischen Dorf wohnen, andere Sportler treffen, die Ringe und das Feuer live im Stadion sehen. Für nicht wenige Sportler sind die Spiele der Höhepunkt der Karriere. Die Wettkämpfe finden mediale Beachtung, ein gutes Abschneiden bedeutet für nicht wenige Akteure auch finanzielle Absicherung.
Ein Wettkampf führt seit vielen Jahren ein Schattendasein unter den Ringen: das Fußballturnier der Männer. Es gibt deutlich prestigeträchtigere Wettbewerbe wie Weltmeisterschaft, Copa América, Champions League oder den Africa Cup - an den Olympiasieger von Athen (Argentinien) können sich nur noch Experten erinnern.
Trotz der deutlichen Worte des IOC-Präsidenten Jacques Rogge spitzt sich der Streit um die Teilnahme von Bundesliga-Profis am olympischen Fußball-Turnier immer mehr zu. Diese Profis wollen nach Peking:
Marko Pantelic ist zwar älter als 23 Jahre, würde dennoch gern für Serbien spielen. Das Reglement des IOC würde es ermöglichen, die Weigerung von Hertha BSC Berlin macht eine Teilnahme jedoch unwahrscheinlich. Sein Teamkollege...
Es ist das verworrene Reglement des IOC, das dieses Turnier so undurchschaubar macht. Als Qualifikation dienen unter anderen die Ergebnisse der U-21-Europameisterschaft, das Turnier ist im offiziellen Fifa-Kalender nicht gelistet und findet deshalb statt, während viele Ligen im Spielbetrieb oder in Vorbereitung darauf sind. Um keine Konkurrenz zur WM darzustellen, dürfen seit 1992 nur Profis teilnehmen, die nicht älter als 23 Jahre sind - jede Mannschaft darf jedoch drei ältere Spieler nominieren.
Gerade dieser Passus im Regelwerk führt nun zur Eskalation zwischen dem IOC, der Fifa und den Vereinen. Der 28 Jahre alte Ronaldinho möchte in Peking für Brasilien auflaufen, Marco Pantelic - er wird im September 30 Jahre alt - möchte für Serbien spielen. Die Vereine möchten das verhindern und möglichst auch keine jungen Spieler abstellen. Werder Bremen möchte eine Reise von Diego (23 Jahre) verhindern, Schalke 04 will Rafinha (22 Jahre) zum Verbleib zwingen. Hertha BSC Berlin hat den 21-jährigen Serben Gojko Kacar bereits zu einem Verzicht bewegt, der Hamburger SV verbot Vincent Kompany (22 Jahre), für Belgien nach Peking zu fahren.
Rafinha hat nun seine Ankündigung offenbar wahr gemacht und ist nicht mit in das Trainingslager von Schalke 04 gereist. Stattdessen wird der 22 Jahre junge Verteidiger aller Voraussicht nach am Dienstag zum Treffen der brasilianischen Olympia-Mannschaft nach Paris reisen. "Rafinha ist nicht da. Was soll ich machen? Wir können ihn ja nicht in Handschellen abführen", sagte Manager Andreas Müller.
IOC-Präsident Jacques Rogge hatte am Wochenende mit Bezug auf die Regularien der Fifa erklärt, dass Spieler unter 23 Jahren, denen der Klub die Freigabe für Olympia verweigert, während der Spiele in Peking für die Liga gesperrt werden. Als Reaktion darauf will die Deutsche Fußball Liga (DFL) prüfen, ob Spieler, die ohne Zustimmung der Klubs nach Peking anreisen, für das olympische Turnier gesperrt werden können. Die Fifa stellte am Sonntagabend durch Generalsekretär Jerome Valcke ihrerseits klar, dass "keine Verpflichtung besteht, Spieler abzustellen, egal ob unter oder über 23 Jahre".
Gerade die Bundesliga ist in besonderem Maße betroffen. Die italienische Serie A beginnt erst am 31. August, die spanische Primera Division startet am 26. August - die Spieler sind also rechtzeitig zurück. Sie verpassen zwar die Vorbereitung, aber gerade im Fall von Ronaldinho könnte es sich lohnen, wenn er einige Spiele absolviert, um seine Fitness zu erhöhen.
Was bewegt die Bundesliga-Spieler, unbedingt für ihr Land auflaufen zu wollen und deshalb Streit mit dem Arbeitgeber zu provozieren? Über mediale Präsenz können sich die Kicker ohnehin nicht beklagen, auch finanziell bedeutet eine Teilnahme bei Olympia - anders als bei vielen anderen Sportlern - keinen Zugewinn. Vielleicht sollten die Manager der Vereine - auch wenn sie vom Reglement her im Recht sind - bei Dirk Nowitzki anrufen. Der kann ihnen erklären, was es bedeutet, dabei zu sein.